Über den Autor

Ludger Keilig

Oralmedizinische Technologie, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsklinik Bonn
Welschnonnenstr. 17
53111 Bonn
Germany
+49 228 287 22073
ludger.keilig@uni-bonn.de

Vita

Wissenschaftlicher Werdegang

  • 1993-2001: Studium der Mathematik an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Abschluß als Dipl.-Math.
  • 2008: Promotion zum Dr. rer. nat. mit dem Thema „Experimentelle und numerische Untersuchungen zum Verschleiß von Halteelementen in der zahnärztlichen Prothetik“

Beruflicher Werdegang

  • 1997-2001: SHK in der Arbeitsgruppe „Experimentelle Kieferorthopädie“, Poliklinik für Kieferorthopädie (Direktor: Prof. Dr. A. Jäger), Universitätsklinik Bonn. Schwerpunkt: „Prächirurgische kieferorthopädische Frühbehandlung von Patienten mit LKG-Spalten“
  • 2001-2006:  Wissenschaftlicher Angestellter in der Abteilung für Zahnärztliche Propädeutik / Experimentelle Zahnheilkunde (Direktor: Prof. Dr. H. Stark). Universitätsklinik Bonn. Schwerpunkt: „Verschleißverhalten von Halteelementen in der zahnärztlichen Prothetik“
  • seit 2006:Wissenschaftlicher Angestellter an der Stiftungsprofessur für Oralmedizinische Technologie (Leitung: Prof. Dr. C. Bourauel), Universitätsklinikum Bonn. Schwerpunkt: „Biomechanische Aspekte der zahnärztlichen Prothetik und Implantologie in experimentellen und numerischen Untersuchungen“

Co-Autoren

Martina Wylezalek, Istabrak Dörsam, Helmut Stark, Christoph Bourauel

Analyse der Spaltbildung und Mikrobeweglichkeit des Implantat-Abutment-Verbundes an verschiedenen Interface-Geometrien

Thema

Einleitung und Ziel

Die Schnittstelle zwischen Implantat und Abutment hat einen deutlichen Einfluss auf die möglichen Relativbewegungen dieser beiden Komponenten unter funktionaler Belastung im Mund des Patienten. Dabei ist insbesondere die Spaltbildung zwischen Implantat und Abutment im Fokus aktueller Studien, da diese durch eine mögliche bakterielle Besiedlung des Spaltbereiches sowie des Implantat-Innenraums zu einer Periimplantitis mit nachfolgendem Implantatverlust führen kann [1,2]. Aber auch ohne Bildung eines Spaltes kann eine erhöhte Mikrobeweglichkeit einen Einfluss auf das Knochenangebot rund um den Implantathals haben [3]. Ziel dieser Untersuchung war es daher, den Einfluss verschiedener prinzipieller Design-Entscheidungen zur Geometrie der Implantat-Abutment-Schnittstelle auf die mechanische Stabilität und insbesondere auf Spaltbildung und Mikrobeweglichkeit dieser Schnittstelle in einer numerischen Studie zu bestimmen.

 

Material und Methode

Um eine systematische Variation verschiedenster Design-Parameter zu erlauben, wurde diese Studie an eigens dafür erstellten digitalen 3D-Modellen durchgeführt. Diese Modelle basieren auf den CAD-Daten eines kommerziell verfügbaren Implantates (Länge: 7 mm, Durchmesser: 3,7 mm). Verschiedene geometrische Eigenschaften der vorhandenen Schnittstelle, wie der Innen- und Außendurchmesser, die Wandstärken in verschiedenen Bereichen, das Spiel zwischen Implantat und Abutment im gefügten Zustand sowie die Insertionstiefe, wurden in den zugrundeliegenden CAD-Daten ermittelt und als Basis für die folgenden Geometrievariationen verwendet. Danach wurde die bestehende Innenverbindung aus den CAD-Daten entfernt und durch verschiedene individuell erstellte Geometrien ersetzt. Insgesamt wurden acht verschiedene Schnittstellenvarianten erstellt, vier konische Verbindungen in unterschiedlichen Längen mit 8 ° oder 15 ° Konuswinkel (Abbildung 1) sowie eine zylindrische und drei stufenförmige Verbindungen (Abbildung 2). Zusätzlich wurden für jede dieser acht Varianten vier verschiedene Indexformen als Rotationsstopps modelliert (Abbildung 3). Die Fixationsschraube wurde aus der Originalgeometrie übernommen.

Zur Bestimmung des Belastungsverhaltens wurde zunächst die gesamte Außenseite des Implantates fixiert, um eine Bewegung des Implantates zu vermeiden. Dann wurde die Fixationsschraube mit einer Kraft von 200 N in das Implantat hineingedrückt, um das Festschrauben des Abutments zu simulieren, und der Fuß der Schraube wurde im belasteten Zustand fixiert. Die dabei verwendete Kraft entspricht einem Drehmoment von etwas 35 Ncm [4]. Anschließend wurde eine funktionale Belastung von 500 N mittig auf die Oberseite des Abutments in einer Höhe von 8 mm über der Implantatschulter und in einem Winkel von 30 ° zur Implantatachse geneigt aufgebracht (vergleiche Abbildung 4). Die Belastungsgeometrie wurde an DIN EN ISO 14801 angelehnt [5]. Als Material für alle Komponenten wurde Titan Grade 5 (E-Modul 110 GPa, Dehngrenze 880 MPa) angenommen.

Insgesamt wurden Simulationen an 32 Modellvarianten durchgeführt. Dabei wurden die folgenden Parameter bestimmt: Verschiebung und Rotation der Abutments am Kraftangriffspunkt (Mittelpunkt der virtuellen Kronenoberfläche), Breite des entstehenden Mikrospaltes, Verteilung der Spannungen und Verzerrungen im Modell sowie optische Beurteilung des Bereiches um den Implantathals. Die Breite des Mikrospalts wurde an der Innenseite des Implantats auf Höhe der Implantatschulter sowie am unteren Ende des Spaltes gemessen (Abbildung 5). 

 

Ergebnisse

Alle FE-Modelle zeigten Mikrospalte und Mikrobewegungen in unterschiedlichem Ausmaß. Die Wahl zwischen konischer und flacher Verbindung zeigte den deutlichsten Einfluss auf Spaltbildung und Bewegungsmuster des belasteten Abutments. Die ermittelten Spaltöffnungen (siehe Abbildung 6) lagen bei 20 bis 26 µm für die konusförmigen Verbindungen, 29 bis 32 µm bei den stufenförmigen Verbindungen und 68 bis 88 µm bei den zylindrischen Verbindungen. Nur bei den zylindrischen Verbindungen war ein Unterschied zwischen den verschiedenen Indexformen zu erkennen. Insgesamt zeigte sich bei allen konischen Verbindungen ein keilförmiger, zur Implantatschulter hin offener Spalt, der bei den meisten Varianten am unteren Ende geschlossen war. Bei den stufenförmigen Verbindungen betrug die Spaltbreite im unteren Bereich im Mittel immer noch 15 bis 20 µm. Die ermittelten Kronenbewegungen sind in Abbildung 7 dargestellt. Deutlich ist zu erkennen, dass die Kronenbewegungen bei den konusförmigen Abutments (310 bis 480 µm) deutlich über der Bewegung der flachen Verbindungen (220 bis 320 µm) liegen.

In der exemplarischen Darstellung in Abbildung 8 ist deutlich zu erkennen, dass die resultierende Kippbewegung des Abutments sich zwischen der flachen und der konischen Verbindung unterscheiden: der Wechsel von einer flachen auf die konische Verbindung erhöht die Auslenkung an der Abutmentoberseite von 245 µm auf 475 µm. Dies hat auch einen deutlichen Einfluss auf die Spannungsverteilung im Abutment und in der Fixationsschraube (Abbildung 9): beim Wechsel von flacher auf konische Verbindung erhöht sich die Spannung im Abutmenthals von etwa 250 MPa auf Werte deutlich oberhalb von 880 MPa, also der Dehngrenze der eingesetzten Titanlegierung. Gleichzeitig sinken die Spannungen in der Fixationsschraube von etwa 500 MPa auf unter 200 MPa.

 

Diskussion

Da die Spaltöffnung bei den konusförmigen Verbindungen keilförmig erfolgt und meist nach unten hin geschlossen ist, ist hier von einer besseren Versieglung des Implantat-Innenraums auszugehen. Dennoch können hier bei geöffnetem Spalt härtere Fremdkörper wie Nahrungs- oder Zahnsteinpartikel hineingelangen, die die angestrebte Versieglung des Innenraums aufheben.

Die in diesen Simulationen verwendete Kraft liegt mit 500 N am oberen Rand der bei gesunden Probanden zu erwartenden Kaukräften [6,7]. Die klinisch auftretenden Spaltöffnungen mögen daher teilweise unter den hier ermittelten Werten liegen. Dennoch kann aus den Ergebnissen gefolgert werden, dass die Möglichkeit einer Spaltöffnung auch bei konischen Implantat-Abutment-Verbindungen besteht. Von allen Designentscheidungen hatte die Wahl zwischen konischer und flacher Verbindung den deutlichsten Einfluss auf die ermittelten Parameter Beweglichkeit und Spaltbildung. Weiterführende Untersuchungen sollten klären, ob Spaltbildung und Mikrobeweglichkeit bei einer Belastung außerhalb des Kronenmittelpunktes beziehungsweise der Implantatachse sich ähnlich verhalten wie bei den hier vorgestellten Simulationen.

 

Fazit

In Bezug auf die Bildung eines Mikrospaltes ist dem konusförmigen Design klar der Vorzug zu geben. Die weiteren Designparameter, insbesondere die Gestaltung des Rotationsstopps, ist bei diesem Design von nachgeordneter Bedeutung. Der Vorteil der Konusverbindung bei der Spaltbildung wird allerdings durch eine erhöhte Beweglichkeit des Abutments erkauft. Inwiefern sich dies bei der Verblockung von zwei oder mehr Abutments in einer (mehrgliedrigen) Brücke auswirkt, muss noch Thema weiterer Untersuchungen sein.

 

Bildergalerie (9)

Literatur:

  1. Tallarico, Marco; Canullo, Luigi; Caneva, Martina; Özcan, Mutlu (2017): Microbial colonization at the implant-abutment interface and its possible influence on periimplantitis: A systematic review and meta-analysis. J. Prosthodont. Res. 61, 233–241. DOI: 10.1016/j.jpor.2017.03.001.
  2. Wachtel, Andreas; Zimmermann, Tycho; Spintig, Tobias; Beuer, Florian; Müller, Wolf-Dieter; Schwitalla, Andreas Dominik (2016): A Novel Approach to Prove Bacterial Leakage of Implant-Abutment Connections In Vitro. J. Oral. Implantol. 42, 452–457. DOI: 10.1563/aaid-joi-D-16-00065.
  3. Liu, Yang; Wang, Jiawei (2017): Influences of microgap and micromotion of implant-abutment interface on marginal bone loss around implant neck. Arch. Oral Biol. 83, 153–160. DOI: 10.1016/j.archoralbio.2017.07.022.
  4. Hasan, Istabrak; Bourauel, Christoph; Keilig, Ludger; Stark, Helmut; Lückerath, Walter (2015): The effect of implant splinting on the load distribution in bone bed around implant-supported fixed prosthesis with different framework materials. A finite element study. Ann. Anat.-Anat. Anz. 199, 43–51. DOI: 10.1016/j.aanat.2014.12.001.
  5. DIN EN ISO 14801:2017-03, Zahnheilkunde - Implantate - Dynamische Belastungsprüfung für enossale Dentalimplantate (ISO 14801:2016); Deutsche Fassung EN ISO 14801:2016.
  6. Chong, Mei Xin; Khoo, Chong Dee; Goh, Kai Hoe; Rahman, Farhana; Shoji, Yoshinobu (2016): Effect of age on bite force. J Oral Sci 58, 361–363. DOI: 10.2334/josnusd.15-0675.
  7. Morneburg, Thomas R.; Pröschel, Peter A. (2002): Measurement of masticatory forces and implant loads: a methodologic clinical study. Int. J. Prosthodont. 15, 20–27.

Zusammenfassung:

  • In eigens erstellten digitalen 3D-Modellen eines Implantat-Abutment-Verbundes wurden systematisch verschiedene Parameter des Schnittstellendesigns variiert, um den Einfluss dieser Parameter auf eventuelle Spaltbildung und Mikrobeweglichkeit zu untersuchen.
  • Die Designvariationen beinhalteten folgende Parameter: flache Verbindung, konusförmige Verbindung mit verschiedenen Winkeln, mit und ohne Platformswitching, Insertationstiefe sowie vier verschiedene Indexformen (drei oder vier Nuten, hexagonal, wellenförmig).
  • Bei Belastung mit 500 N zeigten die konusförmigen Verbindungen deutlich geringere Spaltbildung bei gleichzeitig stark erhöhter Kronenbeweglichkeit. Die Länge des Index beeinflusste ebenfalls Spaltgröße und Kronenbeweglichkeit. Die Indexform hatte keinen Einfluss.
  • Fazit: In Bezug auf die Bildung eines Mikrospaltes ist dem konusförmigen Design klar der Vorzug zu geben. Die Gestaltung des Rotationsstopps ist dabei von nachgeordneter Bedeutung. Der Vorteil der Konusverbindung bei der Spaltbildung wird allerdings durch eine erhöhte Beweglichkeit des Abutments erkauft. Inwiefern sich dies bei der Verblockung von zwei oder mehr Abutments in einer (mehrgliedrigen) Brücke auswirkt, muss noch Thema weiterer Untersuchungen sein.